Tour 4: Finanzraub – Kunstraub

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Dauer: 01:05
Entfernung: 4,22 km

Finanzraub – Kunstraub

Die Beraubung erst der Emigranten, dann der in den Tod deportierten Juden und Sinti kannte viele (Mit)Täter und Profiteure. Auch Ämter und Museen der Stadt Hannover bekamen ihr Teil ab.

Die etappenweise Isolierung, Entrechtung und schließlich Deportation und Ermordung der Juden und Sinti ging Hand in Hand mit ihrer finanziellen Ausplünderung. Dieser Raubzug wurde von städtischen Ämtern und der übergeordneten Finanzverwaltung durchgeführt.

Wir wenden uns vom ZeitZentrum Zivilcourage nach rechts und erreichen über Leinstraße, Holzmarkt und Pferdestraße das Hohe Ufer der Leine. Hinter den dicken Mauern des alten welfischen Zeughauses – heute ein Teil des Historischen Museum – war bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg das städtische Leihamt untergebracht. Im Frühjahr 1939 waren die jüdischen EinwohnerInnen Hannovers und seiner Umgebung gezwungen, alle Edelmetallgegenstände in ihrem Besitz hierher zu bringen: Bestecke, Münzen, Schmuck, Tafelschmuck usw. Die Einlieferer erhielten einen geringen Teil des Materialwertes als Entgelt.

Der Weg geht über Leinstraße und Friedrichswall zurück zum Museum August Kestner am Trammplatz. Auch dieses älteste Museum der Stadt war Profiteur von „Judengut“. Sein Leiter sicherte manches gute Stück aus der Hinterlassenschaft deportierter Jüdinnen und Juden für die Bestände seines Hauses.

Rechts am Neuen Rathaus vorbei führt ein kurzer Weg mit einer Fußgängerbrücke über die Leine zum Altbau des Finanzamtes in der Hardenbergstraße. Zoll- und Devisenbestimmungen der Finanzverwaltungen sorgten dafür, dass Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland zunehmend nur noch die bloße Haut retten konnten. Nach der Deportation der Juden und Sinti aus Deutschland verwerteten die Finanzämter deren zwangsweise zurück gelassenes Eigentum und Vermögen zugunsten der Reichskasse. Aufrüstung und Krieg mussten schließlich finanziert werden.

Längs der Leine über den Hannah-Arendt-Weg und die Bella-Vista-Brücke gehen wir zum Nordufer des Maschsee. Hier erwartet uns ein Kontrastprogramm: Das nahe Sprengel-Museum bietet – gegen Eintritt – die Rekonstruktion des “Kabinett der Abstrakten” und hochkarätige Kunstwerke ehemals als “entartet” verfemter Künstler der Moderne wie Kurt Schwitters, Max Beckmann oder Otto Dix. Am Nord- und Ostufer sind – umsonst und draußen – zeittypische Skulpturen der 1930er Jahre zu besichtigen: Nazi-Kunst?

Nur wenige Hundert Meter sind es vom Maschsee zum Niedersächsischen Landesmuseum Hannover, dem ehemaligen Provinzialmuseum. Während der 1920er Jahre hatte es sich in seiner Ankaufspolitik der Moderne geöffnet. Die Installation des „Kabinett der Abstrakten“ stellte expressionistische und gegenstandslose Werke von Mondrian, Picasso, Schwitters, Moholy-Nagy und anderen in einen weltweit einmaligen Ausstellungsrahmen. Das Jahr 1937 brachte die Zerstörung des Kabinetts und die Aussonderung von insgesamt 278 Kunstwerken als „entartete Kunst“ zur Versteigerung gegen Devisen, Zerstörung oder Verkauf an Zwischenhändler (wie Hildebrand Gurlitt) und Privatsammler.

Wir nehmen den nächsten Weg durch Hannovers Südstadt in Richtung Hildesheimer Straße. Von der Maschstraße kommend gehen wir entlang einem langgestreckten Gebäudekomplex mit den Werkstätten der städtischen Bühnen bis zum Haupteingang der Stadtbibliothek. Das imposante Bibliothekshochhaus ist ein schönes Beispiel für Hannovers „Backsteinmoderne“. Große Teile seiner Bestände werden seit kurzem auf Raubgut untersucht – einzelne Bücher und ganze Bibliotheken, die rassisch, weltanschaulich oder politisch Verfolgten im Nationalsozialismus genommen worden waren.

Über den Aegidientorplatz gehen wir in Richtung Neues Rathaus zurück zum ZeitZentrum Zivilcourage am Friedrichswall.