Kreuzstraße: Sturmlokal der SA

Vermutlich seit Sommer 1931 besteht mit der ehemaligen „Kreuzklappe“ ein gefürchteter Standort der Nationalsozialisten im Herzen der Altstadt. In der alten Mitte Hannovers stehen sich Kommunisten und Nazis besonders stark gegenüber.

Hannover: Nationalsozialisten in der Nikolaistraße, April 1933. Foto Walter Ballhause. Walter-Ballhause-Archiv, Plauen
Hannover: Nationalsozialisten in der Nikolaistraße, April 1933. Foto Walter Ballhause. Walter-Ballhause-Archiv, Plauen

Aufstieg der NSDAP

Der lokale Aufstieg der Nazis innerhalb Hannovers vollzieht sich abhängig von der Bewohnerschaft der Stadtteile. Die erste Ortsgruppe des NSDAP wird schon im Juli 1921 gegründet, bleibt aber wie überall im Deutschen Reich eine rechtsextreme Splitterpartei – bis zu den Erdrutschsiegen während der Weltwirtschaftskrise. Im September 1930 steigt die braune Partei aus dem Nichts zur drittstärksten politischen Kraft Hannovers auf. Bei der Reichstagswahl vom Juli 1932 überflügelt sie die in Hannover traditionell starke SPD. Ihre Hochburgen liegen in den bürgerlichen Stadtteilen Oststadt, List, Südstadt, Zoo, Kirchrode. Aus diesen gesicherten Bereichen setzt sie zur Eroberung von politisch gemischten oder widerständigen Stadtquartieren an – wobei sich die Eroberung durchaus wörtlich als Straßenkampf vollzieht.

Kneipen als Stützpunkte

Bei der Festigung ihrer Herrschaft spielen Stützpunkte – als Kneipen oder „SA-Kasernen“ – eine große Rolle. “Verkehrslokale” nennen sich Gaststätten, deren Besitzer mit der Nazi-Bewegung sympathisieren und meist selber Parteimitglieder sind – man will unter sich verkehren. “Sturmlokale” dienen einem “SA-Sturm” als Stützpunkt. Hier trinkt man zusammen, von hier geht es zu Kundgebungen und Saalschlachten mit dem politischen Gegner, von hier erfolgen später die nächtlichen Razzien in „Judenhäusern“. Dabei versuchen die Nazis besonders, Lokale im feindlichen Gelände „umzudrehen“ und dauerhaft zu besetzen und zu verteidigen. Legendär die militanten Auseinandersetzungen um das ehemalige Arbeiterlokal „Posthorn“ in der Deisterstraße des „Roten Linden“.

Gespaltene Altstadt

Die politischen Extreme treffen in den sozial randständigen Milieus der Altstadt und Calenberger Neustadt besonders hart aufeinander. Hannovers Mitte radikalisiert sich nach Links wie Rechts: Die KPD feiert hier am Ende der Weimarer Republik ihre größten Erfolge in Hannover, aber auch die NSDAP ist hier stärker als in anderen „Kleine Leute“-Bezirken. Zum Beispiel im Stimmbezirk 59 mit Ballhofstraße und Knochenhauerstraße (nach Schmiechen-Ackermann, siehe Literatur). Dieses typische „Proletenviertel“ wählt noch im Jahre 1929 mit über 50 Prozent die SPD. Im Mai 1932 wird sie von der KPD mit 42 Prozent abgelöst, die selbst bei dem Märzwahlen 1933 hier noch 35 Prozent der Stimmen erzielt. Aber auch die NSDAP zieht im Herbst 1932 fast mit der SPD gleich.

Treffpunkte der Nazis

Das 1887 eröffnete Restaurant „Zur Kreuzklappe“ am Kreuzkirchhof genießt in den zwanziger Jahren einen sehr zweifelhaften Ruf, am Rande des lokalen Rotlichtviertels verkehren hier Kriminelle und Prostituierte. Noch vor 1933 nennt sich die Gaststätte zu „Restaurant Alt-Hannover“ um und wandelt sich zum berüchtigten Treffpunkt des SA-Sturms 3/13. Der Wirt macht Werbung als PG (= „Parteigenosse“) und SA-Mann. In der hannoverschen Arbeiterbewegung kursiert der alte Name des Lokals, nur leicht umgewandelt zu „Haken-Kreuzklappe“. Für den sozialdemokratischen „Volkswillen“ ist sie die „übelste Kaschemme Hannovers“. Die Zeitung wirft zu Beginn des Jahres 1932 dem Wirt mehrfach vor, dass aus seinem Lokal durch Nazis „regelrechte Polizeistreifen“ gegen den politischen Gegner organisiert würden. Ebenso am Himmelfahrtstag des Jahres 1932 in der benachbarten Calenberger Neustadt: Ein im „Duvestübchen“ der Duvestraße stationierter SA-Sturm liefert sich vor der Kneipe und in den angrenzenden Straßen eine Straßenschlacht mit linksstehenden Arbeitern. Drei von ihnen werden teils schwer durch Schusswaffen verwundet. Als die Polizei eintrifft, sind die Pistolen verschwunden.

„Kreuzklappe“: Zerstörung und Wiederaufbau

Das Gebäude in der Kreuzstraße wird im Zuge der „Altstadtgesundung“ saniert und 1943 bei Luftangriffen zerstört. Der Bereich um die Kreuzkirche ist im Jahre 1951 ein Vorzeigeprojekt der Internationalen Bauausstellung „Constructa“, dabei entsteht dieses Haus im alten Stil neu. Seit Jahrzehnten lädt hier – unter dem alten Namen “Kreuzklappe” – ein vollkommen unverdächtiges Restaurant zu türkischen Speisen ein.

Text
Kreuzklappe_SA-Sturmlokal (PDF)

Weitere Informationen online

Wikipedia-Beitrag: Kreuzklappe
Wikipedia-Beitrag: Sturmabteilung (SA)

Literatur: Auswahl

Texte und Bildredaktion: Michael Pechel