Aegidienkirche: Mahnmal gegen den Krieg

Die Aegidienkirche wurde Mitte des 14. Jahrhunderts als gotische Hallenkirche errichtet. Sie war neben Marktkirche und Kreuzkirche eine der drei Kirchen der Hannoverschen Altstadt. Heute ist ihre Ruine ein Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewalt.

Hannover: Blick vom Rathausturm über die Innenstadt, rechts die ausgebrannte Aegidienkirche, 1945. Foto von Wilhelm Hauschild. HAZ-Hauschild-Archiv im Historischen Museum Hannover
Hannover: Blick vom Rathausturm über die Innenstadt, rechts die ausgebrannte Aegidienkirche, 1945. Foto von Wilhelm Hauschild. HAZ-Hauschild-Archiv im Historischen Museum Hannover

Zerstörung in einer Bombennacht

In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 wird die Kirche fast vollständig durch Bomben zerstört. Ihre Außenmauern und der Turmstumpf blieben zur Erinnerung der Opfer von Krieg und Gewalt als Ruine erhalten.

„Luftkrieg“

Die technische Entwicklung der Luftwaffe führt im Zweiten Weltkrieg zu Zerstörungen weit hinter den Fronten. Nach der Strategie des Luftkriegs wird der Kampf auch in der Heimat des Gegners entschieden: Angriffe auf die Wohnbezirke sollen zur Zermürbung der Bevölkerung führen, die Zerstörung von Industrieanlagen und der Infrastruktur sollen den Nachschub an die Front unterbrechen. Zu Beginn des Krieges hatte die deutsche Luftwaffe zahlreiche totale Schläge gegen Städte geführt: Wieluń, Warschau, Rotterdam, London, Coventry… Aber die stärkeren industriellen Ressourcen der Alliierten führen seit dem Jahr 1942 zunehmend zu ihrer Luftüberlegenheit über Deutschland.

Vernichtung der Stadtmitte

Die Hoffnung mancher Hannoveraner, die Stadt würde wegen der früheren Personalunion mit England vor Bomben verschont bleiben, soll sich nicht erfüllen. Dazu sind an diesem großen Industriestandort zu bedeutende kriegswichtige Betriebe vertreten. So wird gleich der erste konzentrierte Angriff auf eine deutsche Großstadt gegen Hannover geführt: Im Februar 1941 treffen Bomben aus 200 Flugzeugen den Hauptbahnhof und Teile der Oststadt.

Und die Vernichtung sollte sich steigern. Im Juli 1943 wird die Innenstadt hart getroffen, in der Nacht des 8./9. Oktober 1943 brennt sie fast vollständig nieder. Das Ergebnis bei Kriegsende: 88 Luftangriffe haben rund 6.800 Menschen getötet. Die Zerstörung des Zentrums liegt bei 90 Prozent. Die Hälfte der Wohnungen Hannovers ist unbewohnbar. Die Einwohnerzahl halbiert sich vor allem durch Evakuierungen bis zum Kriegsende im Mai 1945 auf 217.000 Menschen. Zuvor hat die nationalsozialistische Stadtverwaltung überlegt, die Stadt nach dem “Endsieg” am Deister neu und bombensicher anzulegen…

Wenig kriegsentscheidende Wirkung

Aus heutiger Sicht haben die alliierten Flächenangriffe aus der Luft den Zweiten Weltkrieg nicht entscheidend verkürzt. Und die Wut der deutschen Zivilbevölkerung richtet sich oft eher gegen die britischen und amerikanischen Bomberflotten als gegen die nationalsozialistischen Machthaber. Geführt wird auch ein Krieg der Propaganda. Auf abgeworfenen britischen Flugblättern ist zu lesen: „Denk bei jeder Bombe dran: Das fing Adolf Hitler an!“ Die NS-Propaganda dagegen nutzt die Angriffe für antisemitische Stimmungsmache. Auf Plakaten der hannoverschen Gauleitung wird das „Weltjudentum“ als feiger Anstifter der Bombenangriffe genannt.

Ausländische Arbeitssklaven im Bombenkrieg

Erst nach den ersten Großangriffen des Jahres 1941 wird hektisch mit dem Bau von insgesamt 57 öffentlichen Hoch- und Tiefbunkern begonnen. Einige sind noch heute im Stadtgebiet zu finden. Wer bei Bombenalarm ihren Eingang erreicht, ist weitgehend geschützt. Ein schlimmeres Schicksal haben die Zehntausenden von ausländischen Zwangsarbeitern und die Häftlinge der sieben KZ-Lager in Hannover, die den Bombenhagel in ihren Holzbaracken oder in notdürftigen Splittergräben überstehen müssen. Auch für Jüdinnen und Juden bleiben die Türen der Bunker verschlossen. Zur Entschärfung von Blindgängern werden Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge gezwungen – ein buchstäbliches Himmelfahrtskommando.

Heute ein Mahnmal

Die ausgebrannte Ruine der Aegidienkirche wird im Jahre 1952 zu Hannovers zentralem Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewalt. Im Turmeingang befindet sich seit 1985 eine Friedensglocke als Geschenk von Hannovers Partnerstadt Hiroshima, die jedes Jahr am 6. August zum Gedenken an den Atombombenabwurf angeschlagen wird. Jährlich am 9. Oktober wird an die Zerstörung Hannovers durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg bei einer Veranstaltung in der Aegidienkirche gedacht.

Text
Aegidienkirche_Hannover (PDF)

Weitere Informationen online

NDR.de Oktober 1943. Bomben auf Hannover
Wikipedia-Beitrag Luftangriffe auf Hannover
Landeshauptstadt Hannover Zentrale Gedenktage

Literatur: Auswahl

Texte und Bildredaktion: Michael Pechel