Erinnerung an einen ermordeten Boxer: Johann-Trollmann-Weg

Der Sinto Johann Trollmann – in seiner Familie „Rukeli“ genannt – wird am 27. Dezember 1907 in Wilsche bei Gifhorn geboren. Er wächst zusammen mit acht Geschwistern unter ärmlichen Bedingungen in der Hannoverschen Altstadt auf. Dann macht er eine steile Karriere als Boxer – sie endet im Jahre 1933.

Johann Trollmann als Boxer, 1931. Bildrechte Manuel Trollmann
Johann Trollmann als Boxer, 1931. Bildrechte Manuel Trollmann

Erfolg als Boxer

Schon als Achtjähriger beginnt Johann Trollmann mit dem Boxtraining. Der Anfang liegt in der Turnhalle der Bürgerschule Schaufelder Straße, mitten in Hannovers Nordstadt. Er kämpft sich im BC Heros Hannover nach oben, tritt dann dem Arbeitersportverein BC Sparta Hannover-Linden bei. 1929 zieht er nach Berlin und beginnt eine so kurze wie erfolgreiche Profi-Karriere. Mit dem ihm eigenen tanzenden Stil wird er zum Publikumsliebling. Vielleicht nicht der Stärkste im Ring, weicht er Schlägen geschickt aus und kontert sie blitzschnell. Seit 1929 hat er Auftritte in ganz Deutschland: im Burghaus Hannover, der Westfalenhalle Dortmund, in der Neuen Welt und im Sportpalast Berlin, und vielen anderen Sälen (Übersicht der Kämpfe).

Karriere-Ende durch die Nazis

1933 wird die Karriere des 25-Jährigen durch den Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft jäh beendet: Den Kampf um den Titel des Deutschen Meisters im Halbschwergewicht in Berlin hat „Rukeli“ klar nach Punkten gewonnen, der Titel wird ihm jedoch wenige Tage später mit einer fadenscheinigen Begründung aberkannt. Dahinter stehen rassistische Motive: Ein „Zigeuner“ darf keinem „Arier“ überlegen sein. In dem folgenden Kampf gegen Gustav Eder inszeniert Johann Trollmann eine Provokation gegen die NS-Rassenideologie: Den Boxring betritt er als Parodie eines „Ariers“ mit blond gefärbten Haaren und weiß gepudertem Gesicht. Da er nun auch nach der geforderten „deutschen Art“ mit den Füßen fest auf dem Boden stehend boxt, ist er seinem Gegner unterlegen. Die Karriere ist damit abrupt beendet – er verliert mit der Boxlizenz seine Lebensgrundlage.

Sterilisierung

Im März 1935 bekommen Johann Trollmann und seine langjährige Freundin eine Tochter, sie heiraten drei Monate später im Standesamt Berlin-Charlottenburg. Ein Trauzeuge ist Bediensteter des „Städtischen Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg“ in Berlin-Lichtenberg – ein Hinweis darauf, dass Johann Trollmann zu diesem Zeitpunkt ein Insasse dieser Einrichtung gewesen sein könnte. Kurz darauf jedenfalls stellt dessen Direktor den gerichtlichen Antrag auf Sterilisierung. Als Grund dient eine Diagnose „angeborenen Schwachsinns“ – in der NS-Zeit die übliche Begründung für die „Ausmerze“ von Sinti durch Unfruchtbarmachung, wie sie auch das Gesundheitsamt Hannover vollzieht. Laut Aktenlage wird Johann Trollmann am 23. Dezember 1935 zwangssterilisiert.

Tod im KZ

Die Wehrmacht zieht 1939 den 31-jährigen zum Kriegsdienst ein. Aber im Februar 1941 schließt die Wehrmacht „Zigeuner und Zigeunermischlinge“ als „gemeinschaftsfremd“ vom aktiven Wehrdienst aus. Zurück in Hannover, wird Johann Trollmann im Juli 1942 in der Wohnung seiner Eltern in der Gasse Tiefental verhaftet, in die „Zigeunerzentrale“ im Polizeipräsidium gebracht und dort schwer misshandelt. Im Oktober 1942 erfolgt die Deportation des „wehrunwürdigen Zigeuners“ in das Konzentrationslager Neuengamme zu schwerster Zwangsarbeit. Von den Wachmannschaften wird er als ehemaliger erfolgreicher Boxer in Schaukämpfen mit SS-Männern gezielt gedemütigt. Johann Trollmann wird 1944 im Außenlager Wittenberge des KZ Neuengamme erschlagen.

Späte Erinnerung und Ehrung

Das gesamte Kreuzkirchenviertel geht im Bombenkrieg fast vollständig unter. Die ehemalige Gasse Tiefental wird zu Ehren des Boxers im Jahre 2004 in Johann-Trollmann-Weg umbenannt. Ein Jahr zuvor war Trollmann nachträglich als Deutscher Meister im Halbschwergewicht vom Bund Deutscher Berufsboxer e. V. (BDB) in die „Riege der Deutschen Meister“ aufgenommen worden. Allerdings weigerte sich der BDB, einen Meistergürtel symbolisch an seine noch lebenden Verwandten Louis und Manuel Trollmann zu überreichen.

Im Jahre 2008 werden vor ihrem früheren Wohnhaus Stolpersteine für Johann und seinen Bruder Heinrich Trollmann gelegt. 2013 kommt ein Stolperstein für „Rukelis“ Bruder Julius „Mauso“ Trollmann hinzu. Er wurde in Arbeitslagern schwer misshandelt und starb 1956 an den Folgen.

Text Stolpersteine_Trollmann (PDF)

Informationen online

Internetseite von Manuel Trollmann www.johann-trollmann.de
Wikipedia-Beitrag Johann Wilhelm Trollmann
Boxing’s Official Record Keeper Liste der Kämpfe Johann Trollmanns
Bernhard Bremberger und Lothar Eberhardt Zwangssterilisierte aus dem Berliner Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma „Rassediagnose: Zigeuner“
Künstlergruppe BEWEGUNG NURR  Temporäres Denkmal für Rukeli Trollmann (PDF)
Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus  Materialien aus Niedersachsen
ZeitZentrum Zivilcourage Verlegte Stolpersteine in Hannover

Literatur Auswahl

Texte und Bildredaktion: Michael Pechel