Der Maschsee: Gigantische Pläne

Jogger, Wassersportler, Inlineskater: Der Maschsee ist wahrscheinlich das beliebteste Naherholungsgebiet der Hannoveraner. Wenigen ist bewusst, dass sein Bau ein Vorzeigeprojekt der Nazis war. Doch die Pläne für den See sind älter. 

Fackelträger-Säule am Maschsee-Nordufer: "Freude, Gesundheit und Kraft" für die Mitglieder der Volksgemeinschaft - für Juden verboten. Das Hakenkreuz im Kreis unterhalb des Adlers wurde 1945 herausgemeißelt.
Fackelträger-Säule am Maschsee-Nordufer: "Freude, Gesundheit und Kraft" für die Mitglieder der Volksgemeinschaft - für Juden verboten. Das Hakenkreuz im Kreis unterhalb des Adlers wurde 1945 herausgemeißelt.

Bauprojekt gegen Überschwemmungen

Über Jahrhunderte bedrohen regelmäßig Hochwasser der Flüsse Leine und Ihme die niedrig gelegenen Teile Hannovers. Die Leinemasch wird zum See, der sich bis zum heutigen Friedrichswall erstreckt. Seit dem 19. Jahrhundert wird deshalb überlegt, Flussregulierung und öffentliche Erholung miteinander zu verbinden. In der Weltwirtschaftskrise beschließt der Magistrat im Herbst 1932 den Bau des Sees in der jetzigen Größe als Arbeitsbeschaffungsprogramm – mit den Stimmen der Sozialdemokraten.

Arbeitsbeschaffungsprogramm der Nazis

Als im März 1934 mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen wird, sind nur noch die Nationalsozialisten an der Macht. Mit markigen Worten rufen sie zur „Arbeitsschlacht“ auf. Das heißt: Rund 1.600 Männer müssen zu niedrigsten Löhnen den Seegrund ausschachten sowie Leine und Ihme eindeichen. An technischem Gerät werden nur Loren zum Erdtransport eingesetzt.

Riesiger Propagandaerfolg

Die Einweihung des Sees zwei Jahre später, im Mai 1936, gerät zu einem ungeheuren Propagandaerfolg der Nazis. Sie erscheinen als Macher, die energisch in die Hand nehmen, wo andere nur geredet haben. Rund 200.000 neugierige HannoveranerInnen nehmen den See in Besitz und werden Zeugen einer geschickten Inszenierung mit Prominenz aus Partei und Stadtverwaltung, unter Beteiligung von 6.000 Sportlern und mit der Jungfernfahrt der Maschseeflotte. Nur vier Jahre später verschwindet die Wasseroberfläche unter Flößen aus Weidengeflecht. Sie soll feindlichen Bomberflotten keine Orientierungsmarke bieten.

Gigantische Pläne

Wie für alle Gau-Hauptstädte gibt es auch für Hannover radikale Umbaupläne der Nationalsozialisten, die von Hitler persönlich abgesegnet sind. Der Maschsee soll von drei Foren umgeben werden. Allein für das „Forum der Partei“ am Westufer des Sees sind monumentale Bauten für die Gauleitung, ein Aufmarschgelände und eine „Halle der Volksgemeinschaft“ vorgesehen. Der Krieg stoppt ihren Bau. Nur Reste einer Tribüne und die Trümmer des Gauleiterbunkers liegen unter den Besucherrängen des Fußballstadions begraben.

Zwischen Kitsch und Kampf: NS-Kunst im öffentlichen Raum?

Für Diskussionen sorgen in den letzten Jahren die Skulpturen aus der NS-Zeit am Ost- und Nordufer. Hebt die nackte Figur des „Fackelträger“ am Nordufer den rechten Arm zum Hitlergruß? Sind die kämpferisch gestreckten Raubkatzen der Löwenbastion, geschaffen von Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker, ein Ausdruck der NS-Ideologie? Stellen die kitschigen Figuren Hermann Scheuernstuhls – Putto und Fischreiter – überhaupt Kunst dar? Folgt das nackte Paar am Ostufer dem Idealtyp des  „nordischen“ Menschen? Dann hätte sich die NS-Ideologie hier unfreiwillig entlarvt: Dem Bildhauer Georg Kolbe saßen für diese Skulptur die jüdischen Geschwister Hans und Renate Loewy als Modelle vor.

In Höhe des Schiffsanlegers am Nordufer informiert eine Tafel der städtischen Erinnerungskultur über das Bauprojekt Maschsee und seine Skulpturen.

Text
Maschsee_Hannover (PDF)

Weitere Informationen online

Städtische Erinnerungskultur Broschüren und Flyer zum Download
Städtische Erinnerungskultur Informations- und Erinnerungstafeln zum Download
Städtische Erinnerungskultur Audiospaziergang am Maschsee
NDR.de Maschsee: Vom Nazi-Projekt zur Freizeitoase
Informationstafel Bücherverbrennung Rede zur Einweihung
Sprengel Museum Hannover Internetseite

Literatur: Auswahl

Texte und Bildredaktion: Michael Pechel