Technische Universität Hannover und Theodor Lessing

Ein Schloss wird Universität: Das Hauptgebäude der heutigen Leibniz Universität sieht nicht nur aus wie ein Schloss, es wurde als Welfenschloss gebaut. Nur hörte das Königsreich Hannover nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen im Jahr 1866 auf zu existieren. Hannover wurde zur preußischen Provinzhauptstadt. Kurz darauf zog die Technische Hochschule in das leer stehende Gebäude ein.

Dreisprachige Grabinschrift: Prof. Dr. Theodor Lessing Ermordet in Marienbad am 30. 8. 1933 Das erste Opfer des Faschismus in der ČSR. Foto von Gampe, 2016. Wikimedia Commons
Dreisprachige Grabinschrift: Prof. Dr. Theodor Lessing Ermordet in Marienbad am 30. 8. 1933 Das erste Opfer des Faschismus in der ČSR. Foto von Gampe, 2016. Wikimedia Commons

Ein Professor wird Hassobjekt

In den 1920er Jahren entwickeln sich auch in der Studentenschaft der Technischen Hochschule Hannover zunehmend rechtsextreme und völkische Tendenzen. Eines ihrer Hassobjekte wird der Privatdozent für Philosophie, Theodor Lessing. Kein Wunder: Der gebürtige Hannoveraner ist Jude, Kriegsgegner und Sozialist. Zusammen mit seiner Frau Ada Lessing, einer Frauenrechtlerin und SPD-Politikerin, baut er nach dem Ersten Weltkrieg die Volkshochschule Hannover-Linden auf. Mit Artikeln in republikanisch-demokratischen Zeitungen wird er zu einem der bekanntesten politischen Publizisten der Weimarer Republik.

Kritischer Journalismus

Das Jahr 1925 bringt ihn gleich doppelt in die Schusslinie der politischen Rechten. Lessing berichtet als Journalist vom Prozess gegen den Hannoveraner Serienmörder Fritz Haarmann und erhebt scharfe Anklagen gegen die Mitschuld der Gesellschaft – Haarmann war Polizeispitzel. Kurz darauf bewirbt sich der bekannte Weltkriegsgeneral und Ehrenbürger Hannovers, Paul von Hindenburg, für das Amt des Reichspräsidenten. Lessing spricht ihm die subjektive Eignung dazu ab und schreibt die prophetischen Worte: „Leider zeigt die Geschichte, daß hinter einem Zero immer ein künftiger Nero verborgen steht“. Hindenburg wird gewählt. Acht Jahre später ernennt der Zero (die Null) einen Nero (den Brandstifter) Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Studentenprotest von rechts

Die reaktionäre Studentenschaft Hannovers schäumt. Studenten gründen einen „Kampfausschuss“, fordern die Entfernung Lessings von der Universität, stören gewaltsam seine Vorlesungen. Die Hetze hat deutlich antisemitische Klänge. In einer öffentlichkeitswirksamen Aktion besteigen 1.500 Korpsstudenten am Hauptbahnhof einen Zug und drohen mit Abwanderung zur TU Braunschweig. Zahlreiche Zimmerwirtinnen sehen sich in ihrer Existenz bedroht, der Oberbürgermeister fordert die Entlassung Lessings. Nun wird er als Dozent durch die Universitätsleitung beurlaubt.

Mord im Exil

Theodor Lessing ist das erste Todesopfer der Nazis auf tschechischem Boden. Während er mit seiner Frau Ada schon am 1. März 1933 in das Ausland flieht, wird ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt. Im August 1933 erschießen ihn zwei Nationalsozialisten durch das Fenster seines Arbeitsraumes im tschechischen Marienbad und entkommen anschließend nach Deutschland.

Als am 10. Mai 1933 Studenten und Lehrangehörige der Hochschule die Bücher “undeutscher” Autoren mit einem Fackelzug vom Welfengarten zu den Maschwiesen begleiten und dort zum Scheiterhaufen aufhäufen, sind unter den verbrannten Büchern auch Werke Theodor Lessings.

Kein Namensgeber für die Universität, aber spätes Gedenken

Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität Hannover beantragt im November 2005 erfolglos die Umbenennung der Universität in „Theodor Lessing Universität“. Stattdessen heißt sie seit 2006 offiziell „Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover“. Doch seit dem November 2015 erinnert eine Namenswand im Lichthof des Hauptgebäudes der Leibniz Universität Hannover an verfolgte Angehörige der Universität. Ihre Widmung lautet:

„Dem persönlichen und wissenschaftlichen Angedenken der Hochschulmitglieder und – angehörigen, die ab 1933 Opfer NS-bedingter Unrechtsmaßnahmen der Technischen Hochschule Hannover waren.“

Auf der Wand werden die Namen von insgesamt 63 verfolgten Lehrenden und Lernenden aufgeführt, unter ihnen Theodor Lessing. Gleichzeitig erhalten drei Hörsäle neue Namen, werden an Rektoren- und Präsidentengalerie der Universität die Porträts derjenigen Rektoren mit Hinweisen versehen, die in der Zeit von 1933 bis 1945 an der Hochschule gewirkt und Unrecht mitgetragen hatten. In den Jahren zuvor hatte eine auf Beschluss des Senates eingerichtete Arbeitsgruppe die Verleihung und den Entzug von Titeln während der NS-Zeit aufgearbeitet.

Text Ada_Theodor_Lessing (PDF)

Weitere Informationen online

Leibniz Universität Hannover Die Technische Hochschule Hannover im Nationalsozialismus
Leibniz Universität Hannover Aufarbeitung der NS-Zeit
Leibniz Universität Hannover Theodor Lessing: Philosoph und Publizist
Leibniz Universität Hannover Nationalsozialistische Unrechtsmaßnahmen an der Technischen Universität Hannover (Download als PDF)
Leibniz Universität Hannover Unimagazin 1/2 2017 Aufarbeitung und Gedenken
Artikel auf hannover.de Enthüllung der Gedenktafel für die Familie Theodor Lessing
Zeit Online Günter Kunert Theodor Lessing und die „Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen“
Biografie bei FemBio Ada Lessing

Literatur: Auswahl

Texte und Bildredaktion: Michael Pechel