Straßenumbenennungen im Nationalsozialismus

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten werden in Hannover ebenso wie in anderen Städten des Deutschen Reiches eine Reihe von Straßen und Plätzen aus politischen Gründen umbenannt. Nicht nur zentrale Geschäftsstraßen wie die Bahnhofstraße, sondern auch abgelegene Seiten- und Querstraßen fallen der Umbenennungswut zum Opfer.

Hannover: Die zur Adolf-Hitler-Straße umbenannte Bahnhofstraße, 1936. Foto von Wilhelm Hauschild. HAZ-Hauschild-Archiv im Historischen Museum Hannover
Hannover: Die zur Adolf-Hitler-Straße umbenannte Bahnhofstraße, 1936. Foto von Wilhelm Hauschild. HAZ-Hauschild-Archiv im Historischen Museum Hannover

Jedem Stadtzentrum seine Adolf-Hitler-Straße

Besonders markant und einschneidend waren diese Umbenennungen im Stadtzentrum, handelt es sich bei dem Areal zwischen Bahnhof, Kröpcke und Oper doch auch heute noch um die „Visitenkarte“ Hannovers. Umso wichtiger war es, vor allem am Anfang der nationalsozialistischen Herrschaft die Deutungshoheit über den öffentlichen Raum zu erlangen. Schon zur Mitte des Jahres 1933 gab es in jeder noch so kleinen Stadt eine Adolf-Hitler-Straße oder einen Adolf-Hitler-Platz. Die hannoversche Lange Laube wird zur “Straße der SA”. Gestrichen werden die Namen unliebsamer Personen wie des jüdischen Denkers Baruch de Spinoza. Die beschauliche Straße im Philosophenviertel, nach 1933 Friedrich-Nietzsche-Straße, trägt heute wieder ihren alten Namen.

Schlachten, Generale, Kolonien

Auch die Erinnerung an die „großen Siege der deutschen Nation“ vor und im Ersten Weltkrieg wurden durch die Sedanstraße in der List, die Gneisenaustraße im Zooviertel etc. verewigt. Im Stadtteil Badenstedt existiert noch heute ein gesamtes Viertel, dessen Straßen nach (ehemaligen) deutschen Kolonien (Kamerun, Togo…) benannt sind – und bis vor kurzem nach deutschen Kolonialoffizieren wie Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck.

Aktueller Streit

Seit den 1980er Jahren hat in der Stadt Hannover eine rege, teilweise sehr emotionale Diskussion um die Tilgung vorbelasteter Namen eingesetzt, die nicht selten auch vor Gericht ausgetragen wurde. Ausgelöst wurde sie durch einen Streit um die Umbenennung des Carl-Peters-Platzes in der Südstadt in Bertha-von-Suttner-Platz. Carl Peters war der als Rassist geltende Gründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Burundi und Ruanda und ein kleiner Teil von Mosambique), das auf dem Platz erhaltene Denkmal stellten die Nationalsozialisten zu seinen Ehren auf. Bei der Lettow-Vorbeck-Allee brauchte es sechs Jahre Streit zwischen Anwohnern und der Stadt Hannover bis zur Umwidmung in Namibia-Allee. Paul von Lettow-Vorbeck war maßgeblich an Kolonialverbrechen beteiligt, nahm 1920 aktiv am Kapp-Putsch gegen die Republik teil, war Anhänger der NS-Rassenhygiene und nach dem Zweiten Weltkrieg ein Vertreter der Apartheitspolitik Südafrikas. Aktuell gibt es heftigen Streit um die Umbenennung der Hindenburg-Straße im Zooviertel.

Hannover: “Enge Richtlinien”

Die Stadt hat sich im Vergleich zu anderen deutschen Städten enge Richtlinien zur Streichung von unliebsamen Namen auferlegt, wonach die Streichung eines Namens als legitim anzusehen ist, wenn dem Paten „die aktive Mitwirkung an einem Unrechtsregime“ nachgewiesen werden kann. Der Beirat „Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten in Hannover“ hat am 1. November 2018 in seinem Abschlussbericht die Umbenennung von 17 Straßennamen im Stadtgebiet empfohlen.

Weitere Informationen online

Auftrag Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten, 2013 (PDF)
Abschlussbericht Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten in Hannover, September 2018
HAZ Neues Gutachten: Historiker gegen Umbenennung von Hindenburgstraße
taz Straßenumbenennung in Hannover: NS-Wegbereiter weicht NS-Opfer

Literatur: Auswahl

Texte und Bildredaktion: Michael Pechel