Vor dem Haus Calenberger Straße 15 erinnert ein Stolperstein an das Schicksal von Richard Lange. Er wurde als Homosexueller im Jahr 1939 verhaftet und drei Jahre später im Konzentrationslager Mauthausen in Österreich ermordet.
Verschärfung der Verfolgung
Die schon im Kaiserreich bestehende Verfolgung sexueller Handlungen zwischen Männern wird im Jahre 1935 erheblich verschärft. Denn im Nationalsozialismus gilt Homosexualität als Staatsverbrechen: „entartetes Verhalten“, Anschlag auf Wehrfähigkeit und Manneszucht, Gefährdung der Vermehrung der „Herrenrasse“. Entsprechend drastisch ist die Verfolgung.
Mindestens 100.000 Männer werden polizeilich in ‚Rosa Listen’ registriert, über 50.000 Gerichtsurteile ergehen, eine unbekannte Zahl kommt in psychiatrische Anstalten, fast 800 schwule Männer werden zwangsweise bzw. nach Drohungen „einvernehmlich“ kastriert. Die Zahl der KZ-Einweisungen kann nur grob auf 5.000 bis 7.000 geschätzt werden. Die besonders brutale Behandlung dieser Häftlingsgruppe ist nachgewiesen: Mit ca. 60 Prozent haben ‚Rosa Winkel‘-Häftlinge die höchste Todesrate aller nicht-rassisch Verfolgten innerhalb der Konzentrationslager.
Tod im Konzentrationslager
Richard Lange wird am 7. Mai 1903 in Hannover geboren. Von Beruf ist er Elektriker. Noch 1936 verkehrt er in der heimlichen Homosexuellengaststätte „Olivia“ in der Calenberger Neustadt. Im Oktober 1938 wird er verhaftet, im Gerichtsgefängnis Hannover inhaftiert und im Februar 1939 vom Landgericht Hannover wegen Verstößen gegen den § 175 Strafgesetzbuch zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Seine Strafe verbüßt er ab März 1939 im Zuchthaus Hameln.
Nach Haftentlassung kommt Richard Lange nicht in Freiheit, denn die Kriminalpolizeileitstelle Hannover hat inzwischen die polizeiliche Vorbeugungshaft gegen ihn verhängt. Er wird in das Polizeigefängnis Hannover gebracht und kommt anschließend in das berüchtigte Konzentrationslager Mauthausen in Österreich. Am 1. September 1942 stirbt Richard Lange im Außenlager Gusen des KZ Mauthausen im Alter von 39 Jahren. Die angebliche Todesursache ist Anämie, also Blutarmut.
Einzigartiges Archiv in Hannover
Mit dem von Rainer Hoffschildt zusammengetragenen “Schwullesbischen Archiv” SARCH besitzt Hannover weltweit eine der größten Privatsammlungen zur Geschichte der Homosexuellen. Im Projekt “Namen und Gesichter” werden hier seit dem Jahre 1987 im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle dokumentiert. Bis 2011 wurden rund 15.000 Opfer namentlich ermittelt, darunter ca. 3.300 KZ-Häftlinge, 1.300 Häftlinge der Emslandlager und insgesamt 2.000 Todesopfer.
Text Stolperstein_Richard_Lange (PDF)
Weitere Informationen online
Wikipedia Beitrag Schwullesbisches Archiv (SARCH)
Wikipedia-Beitrag Homosexualität in der Zeit des Nationalsozialismus
ZeitZentrum Zivilcourage Verlegte Stolpersteine in Hannover
Literatur Auswahl
Texte und Bildredaktion: Michael Pechel