Stolperstein für Heinrich Börner, Bohlendamm 4

Die Familie des Landarbeiters Heinrich Börner lebte nahe dem altstädtischen Markt in Hannover. Bei wechselnden auswärtigen Arbeitsstellen blieb er dort polizeilich gemeldet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der Zwanzigjährige zur Wehrmacht eingezogen. Im Jahr darauf verurteilte ihn ein Militärgericht zum Tode, er starb als eines der zahlreichen Opfer der deutschen Militärjustiz in einem Schießstand der Vahrenwalder Heide.

Hannover: Vermerk der Todesursache auf Heinrichs Börners Karte in der „Heldenkartei“ im Stadtarchiv Hannover
Hannover: Vermerk der Todesursache auf Heinrichs Börners Karte in der „Heldenkartei“ im Stadtarchiv Hannover

Ein kurzes Leben

Heinrich Friedrich Wilhelm Börner wird im März 1919 in Hannover-Linden unehelich von der Magd Erna Engelhardt geboren, den Nachnamen Börner trägt er seit der Heirat seiner Mutter mit dem Gärtner Heinrich Börner im Jahre 1929. Amtliche Schriftstücke führen den Jungen als Melker oder Arbeiter – schon seit seinem 15 Lebensjahr sind Arbeitsstellen im gesamten mittleren Niedersachen wie in Fallingbostel, Lamspringe, Helmstedt oder Göttingen nachweisbar. Dazwischen scheint er immer wieder in die Dammstraße 16 (heute: Bohlendamm 4) zurückgekehrt zu sein. Im Jahre 1938 muss er den paramilitärischen Reichsarbeitsdienst ableisten. November 1939 wird er in die Wehrmacht zum Artillerie-Ersatz-Regiment 19 Hannover eingezogen. Die weiteren erhaltenen Dokumente betreffen nur noch die Tatsache seiner Verurteilung und die Vollstreckung der Todesstrafe. Wofür er verurteilt wurde, ist nicht überliefert, auch seine Grabstätte ist unbekannt. Auf dem Fössefeld-Friedhof in Hannover-Limmer fehlt unter den dort begrabenen Opfern der Militärjustiz ein Grabstein mit seinem Namen.

Furchtbare Richter

Die NS-Militärjustiz fällt etwa 30.000 Todesurteile gegen Wehrmachtsangehörige; davon werden etwa 23.000 auch vollstreckt. Die hauptsächlichen Anklagen lauten „Fahnenflucht“, „Zersetzung der Wehrkraft“ und „Kriegsverrat“. In der Zeit des Nationalsozialismus erhöht sich die Zahl der Tatbestände, bei denen auf Todesstrafe erkannt werden kann, bis 1944 von drei auf vierundvierzig. In der Zahl der Todesurteile gegen eigene Mannschaften wird die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg nur von der sowjetischen Roten Armee übertroffen; die US-amerikanischen Streitkräfte vollstrecken wegen „Fahnenflucht“ ein einziges Todesurteil.

Militärstadt Hannover

Hannover ist während des Zweiten Weltkriegs nicht nur eines der wichtigsten Rüstungszentren in Deutschland, sondern ebenso eine der größten Garnisonsstädte. Den militärischen Einheiten sind lokal insgesamt mindestens neun Militärgerichte zugeordnet, darunter das Gericht des XI Armeekorps und der 19. Infanterie- und Panzerdivision am Waterlooplatz. Unmittelbar daneben steht der zentrale Militärarrest. Er dient auch für die militärische Untersuchungshaft und als Gefängnis für verurteilte Soldaten bis zur Vollstreckung der Todesstrafe auf dem Garnisonsschießstand in Hannover-Vahrenheide auf dem Gelände der heutigen Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne. Die Opfer werden auf dem seit 1868 bestehenden Garnisonsfriedhof in Hannover-Limmer beerdigt, dem heutigen Fössefeldfriedhof.

Forschungen von Ralf Buchterkirchen haben bis heute Todesurteile gegen namentlich 36 Soldaten der Wehrmacht aus Hannover belegt, die an anderen Orten durch Erschießen oder Enthauptung vollzogen wurden. Ihre vermutete Anzahl ist deutlich höher. Hinzu kommen fünfzehn Soldaten, die in Hannover starben und auf dem Fössefeldfriedhof ihre letzte Ruhe fanden. Dort erinnert seit dem 9. Mai 2015 das Denkmal „Ungehorsam“ von Almut und Hans-Jürgen Breuste sowie eine Informationstafel an die Opfer der Wehrmachtsjustiz.

Text Stolperstein_Heinrich_Börner (PDF)

Weitere Informationen online

Informationstafel Fössefeldfriedhof Hannover-Limmer Opfer der Militärjustiz
Wikipedia-Beitrag Fahnenflucht
Wikipedia-Beitrag Militärgerichtsbarkeit (Nationalsozialismus)
Klaus Falk, Deserteure der Wehrmacht 1939 – 1945 in und aus Hannover (PDF)
Ralf Buchterkirchen „Du brauchst dich wegen meiner Hinrichtung nicht zu schämen …“ (PDF)
ZeitZentrum Zivilcourage Verlegte Stolpersteine in Hannover
ZeitZentrum Zivilcourage Informationsblatt Stolperstein Heinrich Börner

Literatur Auswahl

Texte und Bildredaktion: Michael Pechel