Mellini-Affäre: Kirchliche Jugend einig mit Hitler-Jugend

 

In der Artilleriestraße (heute Kurt-Schumacher-Straße) befand sich gegenüber der Einmündung der Odeonstraße das Mellini-Theater. Es handelte sich dabei um ein Varieté-Theater oder Boulevard-Theater. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es zu einem Kraft-durch-Freude-Theater umgestaltet, das an der Heimatfront für (Durchhalte-)Stimmung sorgen sollte.

Hannover: Anzeige für die Operette "Das Dreimäderlhaus" im Mellini-Theater, aus: Volkswille Nr. 241/ 1916. Bildarchiv Historisches Museum Hannover
Hannover: Anzeige für die Operette "Das Dreimäderlhaus" im Mellini-Theater, aus: Volkswille Nr. 241/ 1916. Bildarchiv Historisches Museum Hannover

Im Varieté-Theater wird „Bein gezeigt“

Das Mellini zeigt traditionell Stücke, die mit der herrschenden Sexualmoral eher frei umgehen. Bei Varietéaufführungen wird auch „Bein gezeigt“. Im Juni 1932 kommt es zur Aufführung des Stückes „Eva im Bade oder das Mädchen aus der Fürsorge“. Schon der Titel deutet die Intention an, die damalige bürgerliche Doppelmoral zu bedienen. Dieses Stück führt zu einem gesellschaftlichen Skandal.

Kirchliche Jugend und Hitler-Jugend: Gemeinsam gegen „Schmutz und Schund“

Mitglieder der Evangelischen Jugend und der Christlichen Pfadfinder kaufen gezielt und organisiert Karten, sickern in die Aufführungen ein und stören sie durch Lärm und Sprechchöre. Dies führt zum Abbruch der Aufführung des Stückes. Evangelische Jugend und Christliche Pfadfinder gehen in diesem „Kampf gegen Schmutz und Schund“ so weit, dass sie der hannoverschen Hitlerjugend HJ Eintrittskarten finanzieren und die Aktion gemeinsam mit dieser durchführen.

„Kraft durch Freude“

Nach dem Jahre 1939 wird das Haus eine Spielstätte der NS-Organisation “Kraft durch Freude” und soll mithelfen, die “Heimatfront” durch Amüsement zu stabilisieren. Die nationalsozialistische „Niedersächsische Tageszeitung“ NTZ aus Hannover berichtet in ihrer Ausgabe vom 29./30 Juli 1939 stolz: „Einfach, schön und groß ist die Aufgabe: Hannovers Mellinitheater, ein Haus mit wandelreicher Geschichte voll heller und auch trüber Tage, soll so hergerichtet werden, dass es zu einer würdigen Stätte wird, an der die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ den Volksgenossen aus Stadt und Land schöne und frohe Stunden der Unterhaltung und Erholung bereiten kann“.

Dafür wird das Theater im Stil der NS-Zeit umgebaut. Stuck und Ornamente der Gründerzeit weichen einer brutalistisch-glatten Fassade. Bei dem großen Bombenangriff auf Hannover im Oktober 1943 schwer getroffen, dient die Ruine in der Nachkriegszeit zur Aufführung wichtiger moderner Stücke, bevor sie 1954 abgerissen wird.

Text Mellini-Theater_Hannover (PDF)

Weitere Informationen online

Wikipedia-Beitrag Mellini-Theater
LEMO Die NS-Gemeinschaft “Kraft durch Freude” (KdF)

Literatur: Auswahl

Text: Willi Duckstein Bildredaktion: Michael Pechel